Frauenperspektiven in Karlsruhe
Bildung & Wissen // Artikel vom 11.02.2020
Mit ihrem zweiten Buch „Frauenperspektiven in Karlsruhe“ rückt Autorin, Fotokünstlerin und Panima-Verlags-Chefin Christiane Möschle Frauen und Fächerstadt zugleich in den Fokus.
Ein Projekt, für das sie Fotografin Katja Sievers (Weststadt Frollein) gewinnen konnte. Kurz nach Veröffentlichung am 26.11.2019 gaben Möschle und Sievers in einem persönlichen Gespräch einen lebendigen Eindruck gelingender Synergie: Sie erzählten vom ersten Kennenlernen – ihrem zufälligen Aufeinandertreffen im Café Juli, wo Sievers’ Paris-Fotografien Anfang 2019 ausgestellt wurden – und von Überraschungsmomenten: „Jedes Projekt hat sein Eigenleben. In dem Augenblick, in dem ich einen Plan angehe, verändert sich etwas, entwickelt es sich auf ganz eigene Weise. Gewisse Dinge geschehen erst beim Entstehen. Das ist für mich der künstlerische Akt an sich“, so Möschle über den Schaffensprozess – einer Zeit von vier Monaten, die einmalige Ein- und Ausblicke sogar an Orten zu bieten hatte, die der Öffentlichkeit eigentlich nicht zugänglich sind: Mit Christiane Riedel auf dem ZKM-Aussichtsturm zu stehen, ist Sievers dabei in besonderer Erinnerung geblieben: „Aus diesem Blickwinkel hat mich die Weststadt mit ihren vielen Dächern und Schornsteinen an Paris erinnert.“ Die neuen Perspektiven lösten neues Stadterleben aus.
Den Wunsch, ein Buch über Karlsruher Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen zu schreiben, hegte Möschle schon eine ganze Weile. Auf Spurensuche in der Geschichte machte sie eine Entdeckung: „Für jede Frau, ob Musikerin, Salonière, Modedesignerin oder Juristin gibt es ein historisches Pendant. Diese zwei Elemente – Frauen der Vergangenheit und der Gegenwart – wollte ich mit einem dritten verknüpfen: der Stadt.“ Mit ihrer Idee des anderen Stadtführers wandte sie sich an Frauen aus Kunst, Wissenschaft und Design und fragte sie nach einem Ort, der für sie von Bedeutung sei: Die Antworten auf die Schlüsselfrage, finden sich mal in Form der von Möschle geführten Interviews, mal in den von den Frauen selbstverfassten Liebesbekundungen an Karlsruher Fundgruben, Blockadenlöser oder versteckte Zwischenräume. In ihrer Bedeutungsvielfalt werden Orte zu Knotenpunkten eigener Lebenswege: „Alles, was uns im Leben passiert, sämtliche Stationen verbinden wir mit Orten. Über einen Ort zu sprechen, heißt über sich zu sprechen – in Verbindung zu diesem Ort“, erklärt Möschle. Im Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart wird der Ort zum Gedächtnisträger.
Davon zeugen nicht nur die Texte, sondern auch Sievers’ Fotografien: „Als Fotografin verstehe ich mich als Begleiterin. Ich will Menschen so zeigen, wie sie sind. Das wahre Wesen einzufangen, heißt, diesen flüchtigen Moment zu erwischen, in dem sie sich unbeobachtet fühlen, vergessen, dass die Kamera da ist: Das ist Authentizität.“ Dabei macht Sievers immer wieder eine Beobachtung: „Frauen sind vor der Kamera oft unsicherer, fühlen sich in den Fokus gerückt nicht so wohl wie Männer.“ Wie tief verankert dieses Unbehagen sein kann, wurde auch Möschle im Zuge ihrer Anfragen bewusst. Es gab Absagen, weil befürchtet wurde, sich durch die Teilnahme an einem solchen Projekt zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen – Skrupel, die eine Diskussion zwischen Möschle und Sievers in Gang setzt: Zuschreibungen wie Zurückhaltung und Bescheidenheit galten lange Zeit als typisch weiblich und prägten einen Verhaltenskodex, der sich noch bis heute in unbewussten Handlungsstrukturen abzeichnet.
Das Leben und Wirken der Frauen sichtbarer zu machen, ist Möschle ein Anliegen und veranlasste sie 2017 zur Gründung ihres eigenen Verlags: „Mit Panima möchte ich Frauen ein Forum schaffen. Dabei geht es primär nicht darum, eine politische Botschaft zu senden. Für mich steht das Künstlerische im Vordergrund. Mir ist bewusst, dass ich damit nicht frei von einem politischen Statement bin. Das Politische lässt sich nicht ausklammern.“ Ein Blick auf die Panima-Website lohnt sich: Hier sind neben Sievers’ Fotografien als Postkarten und Möschles Kolumne auch Veranstaltungstermine zu finden: „Es wird keine Lesungen im klassischen Sinne geben, sondern kleine Inszenierungen mit Musik, Gesang, Literatur und Fotografie. Ich möchte die Bühne den Frauen überlassen“, kündigt Möschle an. Weitere Projekte, wie z.B. literarische Stadtspaziergänge, sind geplant. „Frauenperspektiven“ soll als Buchprojekt in Köln, als zweisprachige Ausgabe in Partnerstädten wie Temeswar und vor allem als Netzwerk weitergeführt werden. -mic
Frauenperspektiven in Karlsruhe, Christiane Möschle & Katja Sievers, Format 16,5 x 21,5 cm, Hardcover, Leineneinband, Fadenheftung, Lesebändchen 256 S., mit zahlreichen Fotografien, 30 Euro, ISBN 978-3-9820126-1-2,
www.panima-verlag.de
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